Das Königsgrab in Kabul 2006

Profilbild ändern ist sinnlos, Fahnen auf Halbmast aber nicht?

schneeengel

Das Ändern des Profilbilds als Ausdruck des Mitgefühls, Zusammenhalts, der Trauer. So sehen es viele. Andere regen sich darüber auf. Damit würde man die Welt doch nicht retten und schon gar nicht den Terror bekämpfen. Warum dürfen nur Sportler Trauerflor tragen? Warum dürfen nur staatliche Institutionen die Flagge auf Halbmast setzen? Was ist mit denen, die Vorort Blumen niederlegen, Kerzen anzünden? Höre ich da jemanden sarkastisch rufen: “Blume niedergelegt, Terror-Problem gelöst”? Zum Glück nicht.

Es ist immer einfach, den Zeigefinger zu erheben und anderen zu erklären, dass das doch das Problem nicht löse. Ja, vielleicht löst es das Problem nicht. Vielleicht brauchen wir noch viel mehr Menschen, die sich politisch engagieren. Die etwas für Flüchtlinge tun, Integration, Aufklärung, Dialog – was auch immer. Aber wird das Problem damit gelöst, dass wir uns gegenseitig kritisieren und uns wegen eines Profilbilds aufregen?

Meme zur Profilbildänderung

Meme erstellt. Problem gelöst?

Ein erhobener Zeigefinger bringt auch nichts. Überhaupt nichts. Nicht labern, machen. Mit gutem Beispiel vorausgehen. Zeigen, was jetzt richtig wäre. Im Moment wird viel darüber diskutiert, was jetzt richtig wäre. Ich weiß zur Zeit keine Lösung. Wenn diese “Moralapostel” (es ist irgendwie nicht das richtige Wort dafür, ist zu negativ besetzt, so negativ will ich aber eigentlich nicht sein – mir fällt aber auch kein anderes Wort dafür ein) die Lösung parat haben: Super, immer her damit! Ich weiß nur, dass es nicht die richtige Lösung sein kann, jetzt so weiter zu machen, wie es in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten passiert ist: Da ist jemand “böse”, also schicken wir mal das Militär hin, bomben alles kaputt, versuchen ihnen unseren westlichen Lebensstil, unsere Werte von Moral und Demokratie aufzudrücken und dann verschwinden wir wieder. Das hat im Irak beim ersten Mal nicht funktioniert, das hat in Afghanistan nicht funktioniert, das hat im Irak beim zweiten Mal nicht funktioniert und es funktioniert offensichtlich in Syrien auch nicht.

Es hat mich erschrocken – und es lief mir eiskalt den Rücken hinunter -, als Hollande am Freitag Abend von einem “Kriegsakt” sprach. Zu dem Zeitpunkt sollte jedem klar gewesen sein, was die logische Folge sein wird: Bomben auf Syrien, in späterer Folge vielleicht auch gleich noch Bodentruppen, die gegen die Terroristen kämpfen und das Land “befrieden”. Militärisch gesehen, kann ich die Reaktion natürlich verstehen: “Wir wurden angegriffen, also schlagen wir zurück!” Aber vielleicht ist genau das die falsche Antwort. Vielleicht sollten wir endlich anfangen, aus unseren Fehlern zu lernen.

Nach Jahrzehnte langem, ja eigentlich Jahrhunderte langem nebeneinander her leben, sollten wir endlich anfangen mit der muslimischen Welt in einen echten und ehrlichen Dialog zu treten. Einen Dialog, in dem es nicht nur darum geht, wer von wem Öl bekommt und wie viel und wohin Panzer geliefert werden dürfen und wohin nicht. Wir brauchen eine Annäherung und ein Umdenken. Ein Miteinander.

Facebook-Profilbild schneeengel

Auch ich hab mein Profilbild geändert.

Und das Miteinander fängt im Kleinen bei uns an: Hört auf damit, andere zu kritisieren, weil sie ihr Profilbild ändern. Auch wenn sie damit nicht die Welt ändern und den Terror beenden (was eigentlich auch nicht die Aufgabe der Bevölkerung sein sollte), sie setzen damit ein Zeichen. Ein Zeichen der Solidarität. Der Trauer. Des Mitgefühls. Des “Nicht-Allein-Seins”. Es ist doch niemand gezwungen, sein Profilbild zu wechseln. Wer es nicht machen will, macht es einfach nicht. Wer seine Solidarität (oder was auch immer) mit einem anderen Motiv ausdrücken will, der macht es einfach.

Und ganz ehrlich: Ich lasse mich sicher nicht dafür kritisieren, dass ich mein Profilbild getauscht habe bzw. dass ich einen Filter drüber gelegt habe. Für mich war es zu dem Zeitpunkt ein Zeichen der Solidarität mit einem Land, in dem ich schon sehr oft war, von klein auf. An das ich sehr viele, gute Erinnerungen habe. Wir zeigen viel zu selten unsere Solidarität. Warum nicht einfach in so einer Situation?

Posting bei Facebook

Zeigefinger nach oben. Problem gelöst?

Auch wenn ich als Zeitsoldat “nur” beim Bundeswehr-Radio in Afghanistan war, war ich bereit für mein Land mein Leben zu riskieren. Ich war bereit das höchste Gut, das ich habe – mein Leben – dafür zu geben, dass in einem kriegsgebeutelten Land wieder etwas Normalität einziehen kann. Egal, ob der Einmarsch der Amerikaner damals gerechtfertigt und sinnvoll war. Egal, ob es sinnvoll war, die Bundeswehr dann wieder abzuziehen und das Land wieder sich selbst zu überlassen. Ich habe ein Land kennengelernt, das einmal wunderschön gewesen sein muss. Beeindruckend. Voller Leben. Ich habe sehr gastfreundliche und nette Menschen kennengelernt. Mit Menschen auf Deutsch auf der Straße geredet, mir von einem Afghanen, der im Exil in Berlin gelebt hatte, den Weg erklären lassen. Menschen, die sich nach Frieden und Ruhe sehnen. Nach einem normalen Leben. Ohne Angst.

Kabul 2006

Mit der Nato Zeitung verteilen in der Nähe von Kabul. (2006)

Wenn man sich Afghanistan heute – bald 10 Jahre nach meinem Einsatz anschaut, stimmt es mich traurig zu sehen, dass der Dienst dort eigentlich wohl vergebens war. Dass es umsonst war, sich dem Risiko auszusetzen. Und wahrscheinlich stehe ich deswegen auch den ganzen Militäreinsätzen jetzt kritisch gegenüber. Ich habe mein Leben dafür riskiert, dass das Land wieder sich selbst überlassen wird. Dem Terror. Der Unterdrückung.

Hollande schickt französische Soldaten nach Syrien, als Antwort auf die Anschläge in Paris. Erst einmal mit Bombern, aber wohl sehr bald auch mit Bodentruppen und der Unterstützung durch die EU. Da riskieren wieder Menschen ihr Leben. Da sind Menschen bereit zu sterben. Da sterben Menschen. Da sind Menschen gestorben. Neben denen, die dieses Risiko aus Überzeugung auf sich nehmen, noch viel mehr, die eigentlich überhaupt nichts dafür können. Die einfach nur nicht das Glück hatten, in einem Land geboren zu sein, in dem Terror, Krieg, Verfolgung, Folter etc. nicht zur Tagesordnung gehören. Lasst uns das doch nicht für die Fische sein.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *