Franz Schuh ohne Barbara und Ole

schneeengel

Lesungen sind für mich eigentlich immer wie Kunstausstellungen. Ich weiß nicht viel damit anzufangen und fühle mich fehl am Platz. Ich schaffe es einfach nicht, mich in diese teilweise sehr abstrakte Welt der Künstler hineinzudenken. Ich kann einfach nicht die Kunst erkennen, wenn jemand mir einen Beton-Klotz als „Wiedergeburt“ verkaufen will – oder jemand laut schreiend Zweizeiler vorträgt. Wenn ich dann in die begeisterten Gesichter von Ole oder Barbara sehe, die neben mir mit einem Glas Sekt oder Wein stehen und über den Sinn philosophieren, fällt mir oft nur ein Wort ein: Schwachsinn!

Nicht so war es, als ich bei der Lesung von Franz Schuh im Grazer Literaturhaus saß. Im Publikum saßen weder Ole noch Barbara. Hauptsächlich junges Publikum wartete gespannt auf den Wiener Literaten und Kritiker. Nach einem kurzen Vorwort einer Dame, die sich nicht vorstellte, nahm Schuh dann Platz auf dem mit roten Tuch bespannten Podest. Vor ihm ein Holztisch, hinter ihm ein schwarzer Vorhang und neben ihm Stefan Gmünder. Ein Schweizer Journalist, der seit 15 Jahren in Wien lebte, „was man aber nicht hört“, wie er mit Schweizer Akzent bemerkte. Neben ein paar gedimmten Scheinwerfern diente noch eine orangefarbene Stehlampe, die wahrscheinlich die 60er Jahre noch miterlebt hatte, als Lichtquelle. Gmünder lobte Schuh als „Wiener Erben der Kaffeehauskultur“ und beschrieb ihn als „alltags-lebensnahe“. So kam er auch herüber, der ehemalige Generalsekretär der Grazer Autorenversammlung.

Franz Schuh las gut eine Stunde aus seinem Buch „Memoiren. Ein Interview gegen mich selbst.“. Fantastisch vorgetragen, erzählte er unter anderem von seinem Professor Kindermann und der Diskussion über dessen Nazi-Vergangenheit. Er sprach von seiner Kindheit in den 50er Jahren, seinen „Abenteuerspielplätzen“, den Bunkeranlagen der „German Army“ oder der Fernsehserie „Criminal Intent“.

Anschließend stellte er sich noch den Fragen von Gmünder, eigentlich sollte es eine Diskussion über das Thema „Biografien“ werden, doch schien es mehr wie ein Interview. „Schrecklich, dass man als normaler Mensch sterben muss, um in die Zeitung zu kommen“, kritisierte er die „Gier nach Extremerfahrungen“ der Medien. Ich hätte ihm gern noch ein bisschen länger zugehört, wenn mir nicht von der stickigen Luft schon der Schweiß auf der Stirn gestanden hätte. Jetzt hätte ich Barbara gebraucht, mit ihrem weißen Fächer.

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