Die Mauer und was davon übrig ist

schneeengel

„Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Die zuständigen Abteilungen Paß- und Meldewesen der Volkspolizeikreisämter in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne daß dafür noch die Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen. […] Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu West-Berlin erfolgen.“

(Quelle: wikipedia.de) – youtube-video zur pk

20 jahre ist es nun her, eine lange zeit. manche meiner studienkollegInnen sind noch nicht mal 20 – oder sie sind es gerade erst geworden. was vielleicht auch erklärt, warum manch einem überhaupt nicht bewusst ist, welches datum denn heute ist.

gerade unter österreichern scheint dieses datum im allgemeinen nicht so wichtig zu sein. komisch eigentlich, nahm doch mit der ungarischen öffnung des eisernen vorhangs in richtung österreich das ganze erst richtig seinen lauf.

oder lehne ich mich einfach nur zu weit aus dem fenster, wenn ich sage, dass der 09. november 1989 eines der größten ereignisse der europäischen nachkriegszeit ist? ist es falsch zu sagen, dass mit dem fall der (berliner) mauer bzw. dem untergang der deutschen demokratischen republik die europäische geschichte entscheidend verändert wurde?

für mich war die welt 7 jahre lang an einer mauer zu ende. in jede himmelsrichtung wartete ein haufen beton darauf, meine welt einzuschränken. wollte man raus, stand man stunden lang im stau am grenzübergang, fuhr bei strich 100 stunden lang über betonplatten, um dann – wieder an einem grenzübergang angekommen – noch mal stunden lang im stau zu stehen.

ich werde oft gefragt, wie gut ich mich denn überhaupt noch an die mauer erinnern kann – schließlich war ich, als sie fiel, noch ein kleines kind. ja, war ich – aber doch: ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. gerade als berliner war die mauer natürlich ein teil deines lebens – auch als kleines kind. wenn man auch die (politischen) zusammenhänge nicht so wirklich verstanden hat – so eine mauer ist halt nicht zu übersehen. und durch die vielen fahrten nach österreich und zu meinen verwandten, die in ganz (west-)deutschland verteilt lebten und leben, hab ich viele erinnerungen an sie.

so ließ mich meine mutter zum beispiel oft das auto (wir hatten einen alten, blauen opel kadett) lenken, während wir im stau am grenzübergang dreilinden standen. ich erinnere mich auch noch an eine bahnfahrt – als die vopos an der grenze mit hunden und ziemlich unfreundlichen gesichtern durch die waggons stromerten, alles gründlichst kontrollierten und der zug dann stundenlang nicht mehr halten durfte. ich erinnere mich an die fahrten mit der s-bahnlinie 1 (wannsee bis frohnau). sie führte unterirdisch durch “die zone”. ich erinnere mich an das komische gefühl, am streng bewachten geisterbahnhof potsdamer platz vorbei zu fahren – und das unbehagen, welches einem durch den körper fuhr, wenn die bahn in dem tunnel stehen blieb.
ich erinnere mich an die “aussichtsplattformen”, die an der mauer verteilt standen und einem den blick hinter diese beton-wand ermöglichten. “da drüben” war eine komplett fremde und ferne welt. eine welt, die einem nach der damaligen meinung für immer versperrt bleiben sollte. eine unwirkliche welt, die in meinen kinderaugen und auch meiner heutigen erinnerung immer grau und bewölkt wirkte.

ein gefühl werde ich niemals vergessen: als ich das erste mal unter dem brandenburger tor stand oder als wir das erste mal am grenzübergang dreilinden (bzw. drewitz) vorbei geleitet wurden – ohne kontrolle – ohne stau. als ich das erste mal mit meinem vater zum essen nach brandenburg fuhr.
20 jahre ist es nun also her. doch noch heute werde ich oft gefragt, wenn ich sage, dass ich aus berlin komme: “aus west- oder ost-berlin?” verdammt, ich komme aus berlin! ich gehe am hackeschen markt oder prenzlauer berg in die clubs. ich cruise mit meinem cabrio unter den linden entlang. ich schaue mir berlin vom fernsehturm aus an. ich fahre ins umland zum spargel essen. ich gehe mit meinem hund auf dem ehemaligen todesstreifen spazieren.
die mauer ist noch da. in den köpfen. wir sind seit 20 jahren wieder eine nation, vielleicht sollten wir endlich damit anfangen, das auch so zu leben!

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