An dich

schneeengel

dieser beitrag wird ein sehr persönlicher. dieser beitrag wird einer, über dessen veröffentlichung ich mir lang gedanken gemacht hab. ich habe mich für die veröffentlichung entschieden, gerade um den menschen um mich herum vielleicht ein bisschen mein verhalten zu erklären, das in der nächsten zeit etwas anders sein könnte. ich muss es mir von der seele schreiben, weil ich das gefühl hab, sonst erdrückt zu werden.
dieser beitrag ist für jemanden, der ihn nun nicht mehr lesen kann. mit diesem beitrag möchte ich jemandem ein digitales denkmal schaffen. jemand, der immer für mich da war, dem ich so viel zu verdanken hab, der mir so viel ermöglicht hat und vor allem eins war: mein vater.

dieser beitrag hier ist für dich!

gestern rief meine mutter bei mir auf dem an und meinte, “ich muss dir was sagen…”. an stimme und tonfall merkte ich schon, dass was passiert sein musste. komischer weise dachte ich zuerst meinem hund, tom jones, wäre etwas passiert. denn wer rechnet schon damit, dass der nächste satz “dein vater ist gestorben” lauten könnte. ja, wer rechnet eigentlich damit?

früher oder später sterben wir alle, richtig. vor über 10 jahren war es mein opa, für den ich immer das “bübchen” war, vor zwei jahren war es meine oma, für die ich immer das “goldkind” war. nun bist du es, für den ich immer das “JOchen” (mit “weichem” ch gesprochen – also wie bei mechanisch) war. JOchen deshalb, weil mein vater joachim hieß, halt auch jo genannt – und ich war halt der kleine jo – das JOchen halt.

wenn jemand stirbt, ärgert man sich immer, dass es so lange her ist, dass man ihn gesehen hat. ärgert sich, dass man den letzten sonntag nicht angerufen hat, den brief, den man seit wochen schreiben wollte, nicht geschrieben hat. man sucht nach erinnerungen, versucht situationen zu rekonstruieren, denkt an die letzte umarmung, die doch eigentlich schon viel zu lange her ist.

der härteste punkt der trauer ist sicher der, wenn einem klar wird, dass es keine umarmung mehr geben wird, dass der brief nicht mehr gelesen, der telefonhörer nicht mehr abgehoben werden wird.

die schönste erinnerung an dich steht sogar hier in graz. mein erstes auto. dein ford escort xr3i cabrio, das ich dir 2003 abgekauft habe. seit dem pflege und hege ich es, ich gönnte ihm neue boxen, ein neues verdeck – auch einen neuen motor gab’s. in diesem auto hatte ich die erste fahrt nach meiner fahrprüfung. mit diesem auto feierte ich die vize-weltmeisterschaft 2002, fuhr 2006 über die strandpromenade am timmendorfer strand und erlebte noch viele andere schöne dinge. auch wenn du nie körperlich anwesend warst – du warst doch immer irgendwie dabei.

dadurch, dass du und ma getrennt lebten, sah ich ihn dich früher eigentlich eher am wochenende. oder wenn ich nach der schule zu dir in die praxis kam. sonntags war es üblich, dass wir irgendwo ins berliner umland fuhren, spazieren fahren. erst mit einem alten ford (ich glaub, es war ein granada), dann mit deinem porsche. als die notsitze zu eng für mich wurden, kam wieder ein ford – diesmal ein scorpio und später (1994) kam dann das cabrio dazu. ganz selten, wenn es zu 200% nicht regnen sollte, kamst du sogar mit deinem schmuckstück: einem schwarzen mercedes-oldtimer. als das cabrio dann mir gehörte, hat du dir noch mal ein auto ohne dach geleistet, dieses mal einen silbernen mx-5, den ich mit aussuchen sollte/dürfte. jeden sonntag fuhren wir also raus, meistens ging’s schon gegen neun uhr los, was für mich eigentlich eher lästig war, da ich ein mensch bin, der sehr gerne ausschläft (gerade am sonntag). je älter ich wurde, desto “nerviger” wurde es für mich – gerade, wenn ich am samstag abend vielleicht auch noch in der stadt unterwegs gewesen war. ich fuhr immer weniger mit. an die letzte fahrt mit dir kann ich mich allerdings komischer weise noch genau erinnern. es war ein schöner sommertag und wir fuhren mit dem blauen scorpio-kombi zu einem ausflugslokal in einem kleinen kaff in der nähe von berlin, weil wir uns lange nicht mehr gesehen hatten, hab ich damals ohne zögern gesagt, dass ich mitkomme. wenn ich gewusst hätte, dass das die letzte ausfahrt mit dir ist, ich würde wahrscheinlich heute noch mit dir duch die gegen fahren!

heute ist nun wieder einer dieser damals teilweise so “lästigen” sonntage. und was würde ich dafür geben, wenn du jetzt hier vor tür stehen und mit mir raus fahren wollen würdest. ich würde wieder keine minute zögern. aber du wirst es nicht. du wirst auch nicht mehr anrufen und fragen, wie es mir geht. deine stimme werde ich nie mehr hören können, auch wenn ich sie jetzt so gut gebrauchen könnte. deine stimme konnte etwas sehr strenges an sich haben, aber eben auch so etwas unheimlich liebevolles und weiches.

genauso werde ich dich in erinnerung behalten, für immer.

dieser beitrag hier ist für dich.

danke papa und adieu!

9 Comments

  • Erst einmal Beileid an Dich 🙁 Wie immer tue ich mich mit dem Begriff “herzlich” in diesem Zusammenhang schwer.
    Ich glaube, ich kann recht gut nachvollziehen, wie Du Dich fühlst, auch wenn es mittlerweile eineinhalb Jahre her ist, dass ich mit meiner Mutter das gleiche mitgemacht habe. Diese Endgültigkeit hat mich damals echt erschlagen und tut es manchmal heute noch. Genau wie Du hatte ich plötzlich sehr viele Momente und Erinnerungen wieder parat, die jahrelang nicht vorhanden waren. Ich würde Dir gern sagen, dass diese Leere, dieses Loch irgendwann weggeht, aber ich fürchte, diese Lücke in Deinem Leben wird ewig bleiben. Vermutlich ist das aber auch gut so, denn die Erinnerung an Deinen Vater soll ja möglichst präsent bleiben. Ich wünsche Dir die notwendige Kraft, dass Du mit der Situation und mit Schmerz und Trauer den Umständen entsprechend gut zurechtkommst.

  • sonja

    ich denk an dich, jochen. ganz viel hoffnung wünsch ich dir.

  • Steh weinend nicht an meinem Grab,
    ich lieg nicht hier in tiefem Schlaf.
    Ich bin der Wind, der immer weht,
    ich bin Brillantgefunkel im Schnee.

    Ich bin die Sonne auf reifem Feld,
    ich bin im Herbst der Regen mild.
    Und wachst du auf in stiller Früh,
    flattre als Vogel ich in die Höh,
    zieh stumme, weite Kreise.

    Nachts bin ich der weiche Sternenglanz.
    Steh weinend nicht an meinem Grab,
    ich lieg nicht hier, weil ich nie starb.

    lg Gerda

  • Georg

    Beileid! Und viel Kraft in den Stunden der Trauer! Georg.

  • tobi

    Mein herzliches Beileid. Ich habe das Gefühl einfach nicht mehr dazu sagen zu können.

  • Verena_S

    Auch wenn ich nicht wirklich weiß, was ich dir hier als Kommentar auf diesen echt persönlichen eintrag hinterlassen soll, der tief in deinen momentanen gemütszustand blicken lässt..irgendwas wollte ich doch schreiben. herzliches beileid klingt irgendwie so abgedroschen, aber ich sags trotzdem! ich weiß nur, wie es mir bei dem tod meiner oma gegangen ist, der ich auch sehr nahe stand, aber einen elternteil zu verlieren, ist sicher etwas, das man sich nicht vorstellen kann, wenn man es nicht selbst erfahren musste. alles gute für die nächste zeit, die sicherlich nicht einfach für dich sein wird, aber versuch trotzdem an all das positive in deinem leben zu denken.

  • Tobias

    Hallo Jochen,
    mein Beileid. Die Erinnerungen an Deinen Vater bleiben für immer. Wie ein Diamant, der nie mehr zerstört werden kann. Ich wünsche Dir in diesen Tagen viel Kraft!

  • […] vor gut einer woche habe ich erfahren, dass mein vater gestorben ist. vor gut einer woche ist also ein teil von mir gegangen, der mich geprägt, unterstützt, gefördert und auch gefordert hat. ich glaube, auch nach einer woche habe ich das immer noch nicht wirklich begriffen. ich habe versucht, so gut es geht, “business as usual” zu betreiben, mal mit mehr, mal mit weniger “erfolg”. es gibt tage oder vielleicht besser gesagt stunden, da läuft es einfach besser und ich habe so viele andere dinge im kopf – und es gibt die stunden, da weiß ich nicht, wo mir der kopf steht. […]

  • […] vor zehn monaten ist mein vater gestorben und ich habe eine weile gebraucht, das wirklich zu realisieren. diese realisierung hat eigentlich erst ziemlich spät eingesetzt und ich habe dann gedacht, ich müsste irgendwas neu organisieren in meinem leben. einen neuen weg einschlagen. aber warum? nein. es lief doch alles gar nicht so schlecht. er würde wollen, dass ich wieder zu meiner stärke zurückfinde, mich auf sachen zu konzentrieren, ein ziel vor augen zu haben. […]

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