Rauris und der Pauschaltourismus

schneeengel

es ist nichts neues, wenn ich euch erzähle, dass rauris mein herz gehört. ich fühle mich diesem kleinen ort einfach so tief verbunden und in ihm auch verwurzelt. mein opa hat 1964 dort ein haus gebaut und seit ich denken kann, bin ich da (getauft bin ich übrigens in zell am see, in der einzigen evangelischen kirche weit und breit – wen’s interessiert).

rauris galt immer als “geheimtipp”, oder, wie man so schön sagt: als “familien-schigebiet”. doch diese saison ist auch der pauschaltourismus im rauriser tal angekommen. eine englische firma baute stampfte ein ferien-“ressort” (mit spa-bereich, eigener bar, 24h-concierge, in- und outdoor-pool etc.) aus dem boden (nach anfänglichen kleineren reibereien mit den umliegenden bauern, die angst um die sonnenbestrahlung ihrer felder hatten – deswegen musste tiefer gegegraben werden, damit die häuser nicht so hoch wurden). anfang dezember ’08 war es fertig gestellt und die ersten auto-korsos mit rechtslenkenden fahrern fielen ins tal ein.

ich war gespannt, wie sich das auf den pisten und hütten widerspiegeln würden, denn das schigebiet ist wirklich sehr klein und beschaulich und schon letzte saison hörte man viel englisch um einen herum. von den einheimischen hörte man nicht wirklich viele begeisterte stimmen. so klagte zum beispiel meine nachbarin, dass die rauriser schon lange probleme haben, die betten zu füllen (es gibt ungefähr so viele touristenbetten wie das tal einwohner hat – also um die 3.000) und die bauen da noch mal 300 neue hin. auch andere äußerten sich mir gegenüber kritisch, gerade die gastwirte. verfügen die appartements doch über komplett ausgestattete küchen und werden auch noch als selbstversorger angepriesen.

wie sich das ganze auswirken sollte, dürfte ich dann zu weihnachten, als die saison richtig los ging, selbst erfahren. in den gondeln und auf der piste wurde fast nur noch englisch gesprochen, auf der hütte gab es plötzlich fish&chips und alles wurde zweisprachig angepriesen. die gastwirte mussten ihre gemachten aussagen allerdings schnell revidieren, denn die meisten neuankömmlinge verzichteten auf die selbstverpflegung und so mussten sie plötzlich wieder ihr schulenglisch heraus kramen (wenn sie es denn in der schule hatten). fast jedes lokal war gut besetzt, ohne reservierung ging fast gar nichts mehr.
im dorf herrschte auf einmal eine ganz andere stimmung, es war alles nicht mehr so ganz beschaulich wie es immer war. ein freund von mir meinte, als wir von unserer stammbar nach hause schlenderten und uns eine horde jugendlicher entgegen wackelte: “es ist anders geworden!” ja, es ist anders geworden! klar hab ich mir schon immer ein paar mehr leute in meinem alter gewünscht, aber dass man nun mit tschibo-reisen nach rauris kann (für 270 euro gibt’s 7 nächste inklusive 6-tages-schipass), war eigentlich nicht in meinem sinne. und wo landet man mit dem kaffee-röster? richtig, in dem ressort der engländer.

ich verstehe, dass ein ort, der im winter vom tourismus lebt, so viele touristen locken will, wie möglich. aber ob diese siedlung (und was damit jetzt gemacht wird) die richtige lösung war?! ich habe die befürchtung, dass rauris dadurch seine beschaulichkeit, seine eigenständigkeit als “geheimtipp” verliert. das war es, was rauris so einzigartig gemacht hat. was “mein” rauris von anderen dörfern in den bergen abgehoben hat.

irgendwie erinnert mich das ganze an einen sehr bekannten film aus meiner kindheit… nur waren damals die piefke schuld – und nicht die engländer! 😉

kleine anekdote am rande: die herren engländer haben ihre siedlung genauso genannt, wie ein altes hotel, dass am ende “meiner” straße steht – “schönblick” nämlich. das haus steht allerdings schon seit ein paar jahren leer. die ankommenden engländer fragten also die einheimischen, wie sie zum “schoooonblllick” kommen und wurden nur ganz groß angeschaut: “das ist da oben!”, zeigten die straße rauf, “ist aber geschlossen”…. so konnte ich vom haus aus mehrere engländer beobachten, die die straße verwirrt rauf und noch verwirrter wieder runter fuhren.

schneeengel

3 Comments

  • Spannende Geschichte! Hab auf die Website vom Schoonblick geschaut und vor allem das miese Animations-Video zur Mozart-Musik ist echt schlimm. Auch das mit Tschibo. Was hat sich denn die Gemeinde davon versprochen, als sie dieses Resort zuließ?

  • naja… ich denke mal, sie haben sich davon mehr geld versprochen (steuern, kurtaxe – was weiß ich) – und mehr touristen… wohl auch vor allem für die rauriser hochalmbahnen, die noch nie schwarze zahlen geschrieben haben… aber wie gesagt, ob das der richtige ansatz ist, wage ich zu bezweifeln…

  • […] ein weiterer schritt von “meinem” rauris in richtung web2.0 – es wird gebloggt. und, auch wenn man es gar nicht glauben mag, sogar von ganz alleine – ohne, dass der schneeengel da seine finger drin gehabt hätte. […]

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